Subversionen

Subversion 1: Die Hierarchie der Gegensätze unterminieren

Zweiwertiges Denken ist Denken in Gegensätzen: Wahr-Falsch, Recht-Unrecht, Gut-Böse usw. Bei der Betrachtung der Beispiele fällt auf, daß die beiden Seiten nicht gleichwertig sind. Wahrheit ist besser als Falschheit, Recht besser als Unrecht und das Gute erstrebenswerter als das Böse.

Das Denken in Gegensatzpaaren ist faktisch immer asymmetrisch (ungleichgewichtig): Die eine Seite ist privilegiert und zentral, die andere Seite marginal und peripher. Entweder wird eine Seite aus konventionellen Gründen bevorzugt oder es gibt "Beweise" für die Wahrheit einer Seite. Damit wird das mögliche Spiel der Gegensätze fixiert und eingefroren, man weiß immer schon, welche Seite die richtige ist.

Die erste Subversion ist das Spiel des Dezentrierens:

  • Die Hierarchie offenlegen: Wir machen uns klar, welche Seite privilegiert und zentral ist.
  • Die Umkehrung der Hierarchie: Dann kehren wir die Gewichtung um und machen die  bisher marginalisierte Seite zentral.

Beispiel:

  • Position: Wahrheit ist besser als Falschheit, weil man nur insoweit erfolgreich handeln kann, als die Wahrheit im Handlungsbereich bekannt ist.
  • Negation: Falschheit ist besser als Wahrheit, weil das Leben öde und langweilig wäre, wenn alle Wahrheit gekannt würde. Nur wo man nicht weiß, ist Abenteuer möglich!

Wenn man dieses Spiel eine Weile hin und her spielt, immer wieder für jede Seite Argumente sammelt, verändert sich das Gegensatzpaar. Aus dem eingefrorenen Verhalten hierarchischen Denkens und Empfindens eröffnet sich ein Wechsel der Gegensätze in lebendigem Spiel, ein schöpferischer Fluß des Erfindens und Erschaffens neuer Möglichkeiten und damit neuer Zukünfte.

Wenn eine Seite eines Gegensatzes schwach ist, dann ist es auch die andere Seite. Wenn Dich Wahrheit nicht interessiert, dann ist auch Falschheit uninteressant. Wenn Du nur wenig unglücklich sein kannst, dann wirst Du auch nur geringes Glück verspüren. Nur wer zutiefst leidet, hat die Möglichkeit, die höchste Ekstase zu erfahren - was ihn dann wiederum zu noch intensiverem Leid berechtigt :)

Subversion 2: Eigenschaften, Gegensätze und Verhalten

Machen wir uns den Unterschied an einfachen Beispielen deutlich:

Die Rose ist rot. "Rot" ist eine Eigenschaft oder ein Prädikat des Dinges oder Hauptwortes "Rose". Der Satz, die Rose ist rot, kann wahr oder falsch sein. Prädikate und Hauptworte gibt es in Sätzen, Eigenschaften gehören zu Dingen.

Im Gegensatz dazu sind links-rechts, wahr-falsch, hell-dunkel oder traurig-glücklich keine Eigenschaften von Dingen, sondern Gegensätze, Polaritäten oder Dualitäten. Die korrekte Anwendung der Begriffe eines Gegensatzpaares ist immer von einer Perspektive abhängig, denn man kann einem Gegenstand nicht ansehen (sinnlich wahrnehmen) ob er "links", "wahr", "hell" oder "dunkel" ist, denn das hängt immer von etwas nicht am Gegenstand selbst vorfindlichem ab.

Wenn ich sage, die Lampe ist hell, dann sage ich nichts über die Lampe, sondern etwas über das Verhältnis der Lampe zu ihrer Umgebung. Neben einem Scheinwerfer ist eine Taschenlampe dunkel. Wenn ich sage, das Auto steht rechts die Straße hinunter, dann sage ich nichts über die Straße oder das Auto, sondern etwas über meinen Standort in Bezug auf das Auto.

Den besonderen Charakter von Begriffen, in denen sich die Position des Sprechers  widerspiegelt, hat Hegel mit der Unterscheidung von Reflexionsbestimmungen und Seinsbestimmungen markiert. Ob ich etwas als eine Blume identifiziere, ist von meinem Standpunkt unabhängig, ob ich sie als groß oder klein, schön oder häßlich, nah oder fern bestimme nicht.

Reflexionsbestimmungen sind aufgrund ihrer Standpunktabhängigkeit relativ  (perspektivisch). Es sind Prädikationen, die ihr eigenes Gegenteil in sich tragen und sinnvoll nur zusammen mit ihrer Negation auftreten können: was "groß" ist, kann ich nur sagen, wenn ich weiß was "klein" ist. Die Bedeutung eines Reflexionsbegriffes beruht auf der Doppelung in Position und Negation, d. h. sie liegt nicht in der Identität des Begriffs, im Begriff an sich, sondern im Unterschied des Begriffs zu sich, in Position und Negation.

Das Problem ist, daß es in der Sprache keinen grammatischen Unterschied macht, ob wir von Eigenschaften (Seinsbestimmungen) oder Gegensätzen (Reflexionsbestimmungen) sprechen. Die Sätze bestehen immer aus Subjekt und Prädikat: Die Rose ist rot, die Frau ist traurig.

Wenn wir sagen, ich bin glücklich, dann fällt uns vielleicht noch auf, daß das keine Eigenschaft ist. Wie ist es aber, wenn wir sagen: Egon ist Alkoholiker, Rosa ist dumm, Karl ist Christ, Uwe ist böse oder Peter ist verfressen?

Denken wir in solchen Sätzen nicht oft Personen als Dinge mit Eigenschaften? Denken wir Egon als ein lebendes Ding mit der Eigenschaft, Alkoholiker zu sein?

Zwischen Menschen und Dingen gibt es einen essentiellen Unterschied: Menschen haben keine Eigenschaften, sondern Verhaltensgewohnheiten. Natürlich kann man an Menschen physikalische Eigenschaften, wie Größe, Haarfarbe, Gewicht und Blutalkoholspiegel wahrnehmen. Aber die physikalischen Eingeschaften haben mit unserem Menschsein nichts zu tun. Menschen haben keinen Körper, sondern sind ein Leib, d.h. ein beseelter (sich selbst aus sich selbst bewegender) Körper - und eben deshalb kein (rein physikalischer) Körper.

Wenn wir die Unterscheidung Eigenschaft-Verhalten berücksichtigen, dann können wir nicht mehr sagen, Peter ist verfressen, sondern, Peter verhält sich verfressen. Peter ist dann nicht mehr identisch mit Verfressenheit, sondern er ißt häufig sehr viel oder zu viel  - im Vergleich z. B. zum Durchschnittsesser oder zu dem was die letzte Abmagerungskur verlangt. Peter wird dadurch nicht auf Verfressenheit als Eigenschaft festgenagelt, sondern ihm eröffnet sich die Möglichkeit zu sagen: "Ich esse so viel, daß man mein Verhalten als verfressen bezeichnen kann - aber ich werde das ändern und künftig weniger essen. Allerdings werde ich nicht so wenig essen, daß ich dem Schlankheitsideal der Werbung entspreche."

Subversion 3: Aus der Falle springen

In "Subversion 1" haben wir die Hierarchie der Gegensätze dekonstruiert. Wenn wir nun genauer hinschauen was wir da getan haben, dann sehen wir, daß das ursprüngliche Gegensatzpaar verdoppelt wurde:

  • Meta A: A-zentral und -A-marginal, Gut ist besser als Böse, versus
  • Meta -A: A-marginal und -A-zentral, Böse ist besser als Gut.

 

Lord Byron

Lord Byron

Solche über-Kreuz-Strukur der Begriffe nennt man einen "Chiasmus". Beispiel: "Das Vergnügen ist eine Sünde und manchmal ist Sünde ein Vergnügen" (Lord Byron, engl. Dichter). Es werden die gleichen Begriffe benutzt, aber indem sie vertauscht werden, sind sie nicht dieselben, ihre Bedeutung ist nicht identisch. Innerhalb jedes Gegensatzpaares bleibt eine Hierarchie, aber die Hierarchie wechselt von einem Gegensatzpaar zu dem über Kreuz.entgegengesetzten Paar.

Eine nützliche Anwendung des Chiasmus ist der Gegensatz:

 

  • A: Ich habe Recht und Du hast Unrecht.
  • -A: Ich habe Unrecht und Du hast Recht.

Gewöhnlich bevorzugt man A. Preisfrage: schaffst Du es -A zu bevorzugen?

Wenn wir uns jetzt wieder an unsere Unterscheidung von Eigenschaften und Verhalten erinnern, können wir sehen, daß keine der beiden Möglichkeiten eine Eigenschaft kennzeichnet, wir also mit keiner der beiden Seiten identisch sind, sondern jenseits der Alternativen stehen. Ein Beispiel:

  • Meta A: Alkoholiker zu sein ist besser als Nicht-Alkoholiker zu sein.
  • Meta -A: Nicht-Alkoholiker zu sein ist besser als Alkoholiker zu sein.

Ein Mensch kann nie die Eigenschaft haben, Alkoholiker zu sein, aber er kann Alkohol trinken zu einer Verhaltensgewohnheit machen.  Eine angemessenere Formulierung wäre also:

  • Meta A: Gewohnheitsmäßig viel Alkohol zu trinken ist besser als gewohnheitsmäßig wenig Alkohol zu trinken.
  • Meta -A: Gewohnheitsmäßig wenig Alkohol zu trinken ist besser als gewohnheitsmäßig viel  Alkohol zu trinken.

Wenn wir es wirklich schaffen, beiden Seiten gerecht zu werden, sowohl Meta A als auch Meta -A als wahr zu erkennen, dann befreien wir uns aus Identifizierungen und gewinnen die Freiheit zu neuen Wahlmöglichkeiten. Im einfachsten Fall könnte das dazu führen, daß man, je nach Ausgangslage, mehr oder weniger als bisher trinkt. Die interessantere Möglichkeit ist aber, daß man die ganze Alternative zurückweist.

Logisch ist das eine Rejektion (Zurückweisung), weder - noch, weder Meta A noch Meta -A und damit auch weder A noch -A. Die Alternativen der Gegensatzpaare werden zurückgewiesen und wir finden oder erfinden ein Drittes, den sogenannten Rejektionswert.

Der Rejektionswert ist eine extrem wichtige Errungenschaft: Er ist, egal welche sonstigen Inhalte er haben mag, der Standpunkt des wählenden und entscheidenden Ich, welches sich aus eingefrorenen Identitäten befreit hat. Die vorher im Dualismus der Gegensätze auf die simple Ja-Nein-Alternative verengte Welt ist nicht nur wieder geöffnet, sondern in bisher unbekannter und unmöglicher Weite und Offenheit neu entstanden. Die einzige Möglichkeit, die jetzt bleibt ist die Möglichkeit kreativen Findens und Erfindens von Möglichkeiten und der ungebundenen Entscheidung zwischen diesen Möglichkeiten. Deshalb kann es an dieser Stelle kein Beispiel geben.

Subversion 4: Im Anderen Äon landen

Das geht am weitesten über das gewohnte Denken hinaus, es ist das Denken in Komplementaritäten und Heterarchien anstatt in Gegensätzen und Hierarchien.

Paradigmatische Beispiele sind der Welle-Teilchen-Dualismus und die Götterwelt des alten Ägypten. Genauere Beschreibungen des ersten Beispiels findest Du in jedem Buch über Atomphysik und eine ausgezeichnete Beschreibung des zweiten Beispiels in dem Buch "Der Eine und die Vielen" von Erik Hornung.

Der Clou an der Sache ist, daß Gegensatzpaare nicht mehr als sich gegenseitig ausschließend, sondern als sich ergänzend (komplementär) erfaßt werden. Wir denken z.B. gewöhnlich, daß es nur entweder einen Gott oder viele Götter geben kann. Für den alten Ägypter war das kein Problem. Jeder Gott konnte der Eine Schöpfergott sein und das tat den anderen Göttern, die auch jeder der Eine sein konnten, keinen Abbruch. Erst die Juden, dann Christen und Moslems konstruierten daraus einen Gegensatz und verbannten die vielen Götter zugunsten des Einzigen.

Aktueller ist das vielleicht als Wahrheitsproblem bekannt: Eine Wahrheit oder viele Wahrheiten (Relativismus). Wenn man das als Gegensatz konstruiert, hat man das Problem der Wahrheitsfrage, wenn man die eine und die vielen Wahrheiten komplementär nimmt, gibt es kein Problem, dafür aber eine ungleich reichere Welt und ungleich vielfältigere Lebens- und Erfahrungsmöglichkeiten.

Liebe ich meinen Partner oder nicht? Man kann versuchen, diese Frage zu beantworten. Egal wie man sie beantwortet, die Lebensentscheidung ist auf Ja-Nein eingeengt. Man kann die Alternative zurückweisen, z.B. die Frage stellen: Möchte ich mit dem Anderen zusammenleben? Man kann auch beide Alternativen als komplementär nehmen: Ich habe viele Geliebte - und jede/r ist die/der Eine die/den ich wirklich liebe! 

  • Was ist wichtiger, denken, fühlen oder handeln? Sind nicht alle drei gleichursprünglich?
  • Was ist wichtiger, Ich, Du oder Es (Dinge)? Sind nicht alle drei gleichursprünglich?

Beispiel: Täter und Opfer beim Fremdgehen

Die chiastische Struktur ist:

  • Täter ® Opfer = A ® B
       I      X      I
  • Opfer ® Täter = A ® B

Das "®" steht für Relation. Das Kreuz des Chiasmus geht von Täter zu Täter und von Opfer zu Opfer. Die senkrechten von Täter zu Opfer zeigen personale Identität, während es horizontal sich um verschiedene Personen handelt.

"Derjenige, der fremdgeht, gilt im allgemeinen als der Täter, da er/sie schließlich etwas tut, wogegen das Opfer, der/die Betrogene, nichts tut, sondern von der Handlung des anderen betroffen ist, also unter den Auswirkungen dieser Handlung leidet. Die Relation (Täter ® Opfer) drückt also die Handlungsgewalt, das dynamische Gefälle innerhalb der Konfliktsituation aus, wenn eine Person A als Täter identifiziert wird und eine Person B als Opfer.

Die Identifikationen sind also klar und das logische System ließe nach klassischem Zuschnitt keinerlei Verschiebungen oder Transformationen zu. Das aber widerspricht in den allermeisten Fällen nicht nur den möglicherweise nur als Alibi vorgebrachten Rechtfertigungen des Täters ("Das habe ich ja nur getan, weil Du mich dazu getrieben hast."), sondern grundsätzlich auch den Bedingungen der Möglichkeit, sowohl Täter oder Opfer werden zu können. Täter wie Opfer sind wesenhaft aufeinander angewiesen: ohne Betrüger kein Betrogener und umgekehrt. Ist also schon die Rollen-Konstitution nicht aus dem bilateralen Gefüge herauszupräparieren, ohne die wechselseitige funktionale Abhängigkeit zu zerstören, so kann - und dies ist durch die therapeutische Praxis durchaus gedeckt - stärker noch von einer bipolaren Handlungsgewalt gesprochen werden, d.h. das dynamische Gefälle fließt in beide Richtungen. Denn oft läßt sich beobachten, daß auch B der Täter ist, da durch sein/ihr Verhalten A allererst zum Fremdgehen animiert oder gedrängt wurde. Ebenso häufig kann festgehalten werden, daß ein Paar bewußt oder unbewußt vereinbart, wer wann fremdgeht, um ein Problem in der Beziehung zu lösen, bzw. erstmals als solches auf den Tisch zu bringen. Dies entspricht der Relation (Opfer ® Täter), d.h. hier gilt B als der Täter und A als Opfer. Innerhalb des Schemas bedeuten dann die senkrechten Linien die personale Identität von A und B, denn in beiden Beschreibungssystemen sind sie selbstverständlich die gleichen geblieben.

Wichtig hierbei ist nun die Einsicht, daß es sich innerhalb dieser Aspektverdoppelung nicht um einen sukzessiven Rollentausch handelt, den man einnehmen kann oder nicht, sondern um eine zeitgleiche und untrennbare Doppelbesetzung. Dadurch verkompliziert sich das System bis an die Grenze des kognitiven Fassungsvermögens, denn nun begegnen sich A und B nicht nur als Täter und Opfer, bzw. umgekehrt als Opfer und Täter, sondern gleichzeitig auch als Täter und Täter und Opfer und Opfer. Wir verdeutlichen dies anhand der gekreuzten Doppelpfeile, die anzeigen, daß es sich an diesen Stellen um ein Umtauschverhältnis handelt, daß das Täter-sein von A in der oberen Relation austauschbar ist mit Täter-sein von B in der unteren. Gleiches dann für das Opfer-sein.

Eine ausschöpfende Beschreibung dessen, was innerhalb der chiastischen Struktur als Identifikation erscheint, hätte somit folgende Gestalt:

Ich bin Täter und habe ein Opfer und ich bin ein Opfer in der Hand eines Täters, und also bin ich Täter-Opfer und Opfer-Täter und Opfer-Täter und Täter-Opfer und Täter-Täter und Opfer-Opfer und all das bin ich einzeln und für sich und dennoch zugleich und in eins - und Du bist es auch!" (Aus: Klaus Grochowiak, Joachim Castella "Der Chiasmus von Täter und Opfer" )

Subversion Step by Step

  1. Schreibe Dein  Thema, deine Frage oder Dein  Problem so kurz wie möglich aber genau wie nötig auf.
  2. Nun erkunde deine Gedanken, deine Gefühle und Dein  Verhalten im Kontext des Themas.
  3. Schreibe die Antwort oder Behauptung (A), die Du gefunden oder aufgestellt hast, kurz aber genau auf. Wenn Du keine eindeutige Antwort findest, schreibe eine Alternative auf - der nächste Schritt entfällt dann.
  4. Schreibe die Negation der Antwort (-A), also das genaue Gegenteil auf.
  5. Finde für A und -A jeweils die stärksten Argumente die Du finden kannst.
  6. Wenn eine Seite Dir lieber, angenehmer oder besser begründet erscheint, stärke die andere Seite argumentativ und emotional - am besten auch dadurch, daß Du so handelst als hättest Du Dich für die schwächere Seite entschieden.
  7. Laß Dir Zeit! Es kommt gewöhnlich nicht auf ein paar Tage oder Wochen an. Wechsel die Positionen so lange, bis beide Seiten gleich attraktiv sind, erst dann bist Du frei von dieser Alternative, erst dann kannst Du mit Aussicht auf Erfolg zum nächsten Schritt übergehen.
  8. Gibt es eine Fuzzy-Lösung, d.h. eine Möglichkeit die den Gegensatz A und -A auf eine Strecke mit den Endpunkten A und -A überträgt und die Antwort nicht an einem der Pole sondern dazwischen findet?
  9. Denke über Alternativen zu dem bisherigen Gegensatzpaar nach: Weder A noch -A. Du bist jetzt frei, Du kannst über völlig neue Möglichkeiten nachdenken.
  10. Egal was das Ergebnis des vorherigen Schrittes war, vielleicht hast Du ja eine wunderbare Lösung gefunden, befreie Dich jetzt endgültig von dem Denken in sich ausschließenden Gegensätzen: Erkunde die Komplementarität der Alternative: A und -A. Wie  ergänzen die beiden Seiten des Gegensatzes einander?
  11. Gehe jetzt alle vier Positionen durch. Bedenke, erfühle, erhandle die Wirklichkeiten und Möglichkeiten des ganzen Reichtums, der sich Dir eröffnet hat. Entscheide - wenn Du willst ... oder fang mit einer der gefunden Positionen neu an.

Beispiel:

  1. Positon A: Niemand versteht mich.
  2. Negation -A: Alle verstehen mich.
    Es gibt gewöhnlich mehrere mögliche Negationen. Um sie alle zu finden negiere einfach alle Wörter in deiner Postion einzeln und miteinander. Schreibe alle Negationen auf und wähle die, welche Dir kognitiv und emotional am besten gefällt. Beispiele: Alle verstehen andere. Alle mißverstehen mich. Ich verstehe alle anderen.)
  3. A stärken: Wunderbar, so erspare ich mir den Zeitaufwand, mit anderen Reden zu müssen und gewinne viel Zeit für meine eigentlichen Interessen. Andererseits habe ich damit ein wahnsinnig interessantes Experimentierfeld gewonnen: was muß man tun, um verstanden zu werden?
  4. -A schwächen: Wie langweilig wenn einen jeder versteht, die Gesprächsthemen gehen so schnell aus. Vermutlich bin ich einfach ein Langweiler der nur denkt, was jeder andere schon lange gedacht hat, sonst müßte ja häufiger ein Nicht-verstehen auftreten.
  5. A schwächen: Es ist einfach frustrierend, nie verstanden zu werden. Wozu redet man überhaupt mit anderen?
  6. -A stärken: Wenn alle mich verstehen, bin ich überall beliebt und habe viele Freunde.
  7. Wiederhole Punkte drei bis sechs bis Dir beide Alternativen gleich gut erscheinen.
  8. Fuzzy: Zu 50% verstanden und zu 50% nicht verstanden werden, könnte das Beste beider Seiten vereinen.
  9. Weder-noch: Ob ich verstanden werde oder nicht, das macht wirklich keinen Unterschied. Es geht doch darum Spaß im Leben zu haben und wenn ich Menschen finde, mit denen zusammen ich interessante Sachen machen und Spaß haben kann, was soll ich mich noch um verstehen kümmern?
  10. Komplementär: Natürlich versteht mich niemand, außer ich führe ein verständigungsorientiertes Gespräch mit ihm - und natürlich verstehen mich alle, wenn ich das tue. Andererseits ist jeder Mensch sich selbst intransparent, d.h. man versteht sich selbst nicht, wie sollen mich da andere verstehen. Aber was heißt das überhaupt, daß unser gemeinsames Verhalten funktioniert, beweist doch, daß wir uns hinreichend verstehen.
    Fazit: Menschen reden nur miteinander, weil sie sich nicht verstehen, um sich verstehen zu lernen. Das eine setzt das andere immer schon voraus.

Schluß

Natürlich kann man die angegebenen Methoden des lethischen Denkens mißbrauchen - aber das wäre kein lethisches, sondern logisches Denken, man vermeidet neue Möglichkeiten.

Man kann mit dieser Methode alle "guten Gründe" etwas zu tun oder zu lassen methodisch geschickt  abwehren und die eigene Trägheit, Verstocktheit und Habgier damit zu rechtfertigen versuchen - aber das wäre nicht lethisch, sondern logisch, man sperrt sich in seiner Enge ein.

Lethisches Denken ist immer fragendes Denken.

Bedenke: Jedes Ergebnis und jedes Zwischenergebnis des lethischen Denkens kann ein neuer Ausgangspunkt der Anwendung der Methode werden. Was Du damit erreichst ist:

Die Gegend die Dein  Leben ist
kennenlernen und erkunden -
nicht fliehen, sondern fließen!

 

Tags: