Wir sind heilig: Spiel, Kult und Fest

Tiere, seien es Hunde, Katzen, Affen oder Delphine, spielen. Man kann das sehr leicht erfahren, wenn man mitspielt. Das Spiel der Tiere setzt mehr voraus, als nur Instinkt: Tiere lernen durch Spielen und - sie amüsieren sich beim Spielen, es macht ihnen ganz offensichtlich Spaß.

Das Spiel ist der im Tier wurzelnde Anfang der Kultur, also des Menschen. Der Mensch hat sich als Mensch erspielt, er gründet im Spiel. Aus dem Spiel entstand das Fest und der Kult. Spiel, Fest und Kult sind in den ältesten menschlichen Gesellschaften der Bereich des Heiligen. Das Heilige ist das, was Heil bringt, was uns als Menschen heil macht. Es hat nichts mit der Todessehnsucht christlicher Heiliger, gar Märtyrer, zu tun. Genausowenig mit östlichen Askesepraktiken. Das Heilige ist der freudigste und menschlichste Teil des Lebens:

  • Durch das Spiel sind wir verbunden mit unserer Vergangenheit, unserem tierischen Erbe. Tiere sind das, was wir einst waren - und immer noch in uns tragen.
  • Durch den Kult (Kunst!) sind wir verbunden mit unserer Zukunft, dem göttlichen Vorbild. Götter sind das, was wir werden können - die Möglichkeiten des Menschen. Die Möglichkeiten moderner Menschen übertreffen alles, was sich der Mensch der Antike unter den Möglichkeiten von Göttern vorgestellt hatte.
  • Durch das Fest sind wir in der Gegenwart, wir sind Menschen, weder Tiere noch Götter. Im Spiel feiern wir das Leben als Tier-Mensch, im Kult feiern wir das Leben als Gott-Mensch. Wenn wir feiern, sind wir einfach nur und ganz: Mensch, das Wesen zwischen Tier und Gott.

Die ersten Menschen waren jene frühen Primaten, die das erste Fest feierten. Das Fest scheint sich aus dem Spiel entwickelt zu haben, dennoch ist ein Fest nicht nur Spiel. Ein Fest feiern ist mehr als sich satt essen. Für das Fest muss ein Überfluss an Nahrung, jenseits der notwendigen Vorräte, und frei verfügbare Zeit vorhanden sein. Es muss also geplant werden (wann? wo? womit? wie?) und vor allem: Warum sollte man feiern? Vielleicht, um für die gute Ernte oder Jagd zu danken und weiteren erfolgreichen Verlauf der Nahrungssuche oder -herstellung einzufordern? Damit hätten wir dann schon den Kult.

Viele Einzelheiten dieser geschichtlichen Vorgänge sind (noch?) ungeklärt, aber ungefähr so muss es gewesen sein. Der Mensch erschuf sich selbst, durch Spiel, Fest und Kult - aber die Wurzel ist das Spiel.

Der deutsche Dichter F. Schiller schrieb: "Der Mensch spielt, wo er das Dasein feiert." "Denn, um es endlich auf einmal herauszusagen, der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt."

Da Schiller ein Kind der Aufklärung war, konnte er dem Kult nichts abgewinnen. Von den Göttern wollte man sich ja gerade befreien, von den fremden Göttern der Religionen. Das ist okay, diese Götter sind tot. Man sagt, Immanuel Kant, der deutsche Philosoph, genannt: der Alleszertrümmerer, habe sie ermordet.

Nun gut, den Kult können wir heute nicht mehr so verstehen, wie er in der Vorgeschichte, in der Antike und in Alteuropa verstanden wurde. Gott ist tot. In der Aufklärung (Kant, Schiller) wurde Gott durch die Vernunft, den Staat und den Fortschrittsglauben ersetzt. Spätestens seit der Postmoderne wissen wir: Die Vernunft ist unvernünftig. Der Kult der Vernunft, des Staates und des Fortschrittsglaubens ist genauso tot, wie der Kult des jenseitigen Gottes.

Der Kult ist und war immer mit der Zukunft verbunden, der künftigen Ernte, dem Leben nach dem Tod oder dem Fortschrittsglauben. Nichts davon ist heute noch glaubwürdig, geschweige denn tragfähig. Mit dem Kult sind uns aber auch Spiel und Fest abhanden gekommen, weil zur billigen Unterhaltung verkommen. Wir leben ohne Zukunft, deshalb ohne Vergangenheit und ohne Gegenwart. 
 

Tier - Mensch - Gott

Gott - Mensch - Tier

Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft sind eine untrennbare Einheit. Spiel, Fest und Kult sind deshalb gleichermaßen eine untrennbare Einheit. Tier, Mensch und Gott sind ...? Richtig, was sonst: Eine untrennbare Einheit.

Soweit ein Mensch diese dreifache Dreifaltigkeit lebt, lebt er ein heiliges Leben - und das heißt nichts anderes als: Er ist vollständig Mensch. Was das bedeutet, vollständig Mensch, ist keine Frage einer zu suchenden Wahrheit. Es ist historisch bestimmt durch unsere Spiele, unsere Feste und unsere Kulte, die wiederum von uns selbst erspielt werden.

Die alten Spiele, Feste und Kulte, an denen sich Mensch und Gesellschaft Jahrtausende orientiert haben, sind uns so gründlich abhanden gekommen, dass wir sie nicht einmal mehr verstehen können. Den alteuropäischen Menschen gibt es nicht mehr. Alternativen sind nicht in Sicht. Was tun? Ohne Sinn und Zweck vor uns hinvegetieren? Wem das reicht, mag das tun. Den Kampf aufnehmen? Fangen wir an!

Wie? So, wie es schon unsere ältesten Vorfahren taten: Den Menschen erspielen. Wir können neue Spiele, Feste und Kulte nicht einfach einsetzen, planen oder erfinden, wir müssen sie erspielen. Warum? Weil wir nicht den geringsten Anhaltspunkt haben, wo wir suchen könnten.

 

Nun gut, tun wir das. Erspielen wir - das Spiel.

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