Darf man heute noch an Götter glauben?

Nein, aber man kann sie wissen!

Fragwürdigkeiten

Für die alten Griechen war die Welt der bewunderte Kosmos: Die schön geordnete Welt. Im Mittelalter war die Welt das Buch der Natur, welches der Mensch lesen konnte, um den göttlichen Schöpfer zu bewundern. Dann kam die wissenschaftliche Denkweise mit der radikalen Trennung von Außenwelt (res extensa) und Innenwelt (res cogitans) und der Abschaffung des Jenseits durch den Tod Gottes. Damit war der Welt jeder Sinn abhanden gekommen: Das Buch der Natur hatte nur noch weiße Seiten, die Seiten waren leer, es gab nichts zu lesen.

Wir wissen so viel über die materielle Welt. Aber: Geist hat die Wissenschaft nicht gefunden - wird gesagt. Sicherlich, Geist ist nicht irgendwo da draußen. Geist findet man nur, wenn man in sich hinein blickt. Wie könnte man sein eigenes Bewußtsein übersehen? Aber ist das Bewußtsein wirklich drinnen?

Man sagt, daß die Natur leblose Materie sei. Gefühle seien nur in uns drin. Merkwürdig. Von den Griechen der Antike wissen wir, daß sie Gefühle als das Atmosphärische außerhalb ihrer selbst lokalisierten. Waren die denn alle blöd? Wieso merkten die denn nicht, daß die Gefühle in 'Wirklichkeit' in ihnen drin sind? Oder sind vielleicht wir die Blödmänner und bilden uns nur ein, daß Gefühle drinnen sind, obwohl sie in 'Wirklichkeit' doch draußen sind?

Die moderne Theorie der Welterkenntnis scheint zur Zeit der Konstruktivismus zu sein. Diese Theorie behauptet, daß wir die 'wirkliche' Welt niemals erkennen: Wir konstruieren die Welt. Vor einigen Jahrzehnten war eher der Realismus angesagt. Diese Theorie behauptet, daß die 'wirkliche' Welt im wesentlichen so ist, wie sie uns erscheint und es da nicht viel zu konstruieren gäbe.

Erstaunlich ist, daß nur die Frage nach der Konstruktion oder der Realität der Außenwelt gestellt wird. Was ist mit dem Bewußtsein, welches ja die Konstruktionen erschaffen oder die Außenwelt empfangen müßte? Ist das auch konstruiert? Oder ist es real?

Seltsame Schleifen

Das Problem mit dem Bewußtsein sind die Paradoxa, die entstehen, wenn man sich darauf einläßt. Man kann das Bewußtsein nur mit dem Bewußtsein erkennen, weil es das Erkennende ist - aber genau damit kann man es nicht erkennen, weil es selbst das Erkennende ist. Das Auge kann sich immerhin noch selbst sehen, wenn es in einen Spiegel schaut. Aber wie kann es sich sehen - ohne Spiegel?

Stellen wir die Frage mal etwas anders: Erzeugt die Innenwelt die Außenwelt oder die Außenwelt die Innenwelt? Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. Wie wäre es mit: Sie erzeugen sich gegenseitig? Oder: Außen und Innen sind nur zwei Seiten einer Medaille?

Der Neurophänomenologe Francisco Varela schreibt ("[ ]" und Hervorhebungen von MDE):

"Es geht um eine Ko-Konstruktion von Subjekt [Innenwelt] und Objekt [Außenwelt], welche die tradierte logische Geographie einer klaren Trennung von Erkennendem und Erkanntem, Innen- und Außenwelt hinter sich lässt: Da steht nicht, wie dies Konstruktivisten nahe legen, auf der einen Seite ein Subjekt, das sich seine Wirklichkeit auf die von ihm gewünschte Weise konstruiert. Und da existiert keineswegs, wie dies Realisten glauben, auf der anderen Seite ein Objekt, das determiniert, was im Organismus vor sich geht. Meine Auffassung ist, dass sich Subjekt und Objekt gegenseitig bestimmen und bedingen, dass der Erkennende und das Erkannte in wechselseitiger Abhängigkeit entstehen." (Francisco J. Varela in Pörksen, Bernhard (2001): Abschied vom Absoluten. Gespräche zum Konstruktivismus. Heidelberg: Carl-Auer-Systeme, S. 117 f.)

Das ist eine Sichtweise, die unter Philosophen und Wissenschaftlern immer weiter um sich greift. Es geht sogar noch radikaler. Der Philosoph Josef Mitterer will Unterscheidungen wie Erkennender-Erkanntes oder Subjekt-Objekt völlig streichen - und hat dafür überzeugende Gründe: Solche Unterscheidungen führen in Widersprüche.

Nun, dann nehmen wir das mal ernst: Wenn Innen und Außen in wechselseitiger Abhängigkeit (man nennt das auch: konditionierte Koproduktion) entstehen, dann heißt das: Innen erzeugt Außen und Außen erzeugt Innen. Oder: Materie erzeugt Geist und Geist erzeugt Materie.

Andere Götter

Daraus folgt dann zwangsläufig, daß es auf beiden Seiten der Innen / Außen Unterscheidung mindestens etwas geben muß, das Geist und Materie erzeugt: Erzeugendes oder Erzeuger - eine Art kosmischer Vitalität. Genau das ist es, was gewöhnlich Gott oder Götter genannt wird. Natürlich, es kann kein transzendenter oder jenseitiger Gott sein, der ist endgültig tot. Es wären diesseitige oder innerweltliche Götter: Kosmotheismus, die Religion der alten Ägypter. Das sind keine Götter, an die man glauben kann, denn man erlebt sie ständig.

Im "Liber L vel Legis" (Buch L oder des Gesetzes) stellen sich solche Götter vor. Es sind Götter aus dem altägyptischen Götterpantheon, also diesseitige Götter, aber in modernem Gewand. Die Welt wird nicht als statisches Sein, sondern als dynamischer Prozeß des Entstehens und Vergehens im Spiel der Götter und Menschen vorgestellt: Die Welt ist das Spiel des Gesetzes - oder der Spielregeln.
 

 

Die Welt ist das Gesetz: Die Spielregeln, in denen wir spielen.

Die Götter und wir

Die Welt ist Gesetz: Mathematik ist eine Beschreibung der Sprache von Ra-Hoor-Khut. Wissenschaft ist Gottesdienst. Wir Menschen sind 'nur' eine Erscheinungsform der Götter: durch und durch göttlich. Verrückt?  Maybe, aber nichts anderes geht mehr.

Nein, man kann nicht an Götter glauben.
Genausowenig wie an Kühlschränke.
Wir können nicht mehr anders,
als die Götter zu wissen!

Was ändert sich dadurch?

Alles! Der Mensch als vernünftiges Tier wäre nur eine Ameise in einem gleichgültigen Universum: sinnlos, bedeutungslos, zwecklos. No hope, no chance, no escape!

Wenn wir die Götter wissen, erkennen wir, warum es Menschen gibt. Im Menschen werden die Götter sich ihrer selbst bewußt, nur im Menschen! Es kann keine von sich wissenden Götter geben ohne von sich wissende Tiere: Menschen. Andererseits kann es keine Menschen ohne Götter geben, denn die Götter sind die Gesetze, die Menschen erst ermöglichen.

Was ist Sinn und Zweck des Menschen? Die Welt, die Gesamtheit aus Göttern und Menschen, mit unserem göttlichen Willen zu gestalten - und damit uns selbst als Götter und die Götter in uns Menschen zu erschaffen.

Homo est Deus:
Der Mensch ist Gott!


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Kommentare

Götter

Das Auge weiß vom Licht, denn es sieht es, wenn auch nur sehr wenig. Damit es aber nicht erblindet, muss es sich auch mal schließen dürfen. Diese Freiheit ist eben göttlich! Schlussfolgerung: Wir haben Individualität, was die Götter auch haben, also sind wir göttlich - nein noch mehr, denn wir können uns erlauben mit einem Fahrzeug in der materiellen Welt rum zu kutschieren und die Materie können wir auch bearbeiten. Ach ja, das Vehikel nennen wir Körper und wenn es schneller gehen soll, bauen wir uns ein Auto.

Appropos Ameisen: Auch die haben einen Gruppengeist, der sie zusammen hält. So müsste in jeder Ameise auch der Plan und "Wunsch" sein, so wie der Gruppengeist, einmal einen ganzen Haufen zu regieren und zu leben, so wie jede einzelne Zelle in unserem Körper Plan und Streben des ganzen Organismus hat. So, und jetzt muss Gott Peer mal auf Toilette :-)